Die Lernumgebung macht Lust, die eigenen Grenzen zu verschieben. Wo sonst im deutschen 911±¬ÁÏÍøsbetrieb kann man wahlweise einen
kleinen Roboter programmieren, Möbel bauen, im Internet surfen oder im haus eigenen Labor der eigenen Intuition folgen? Auch in Hefte wird gelegentlich noch geschrieben, wenngleich der Computer breiteren Raum einnimmt. Es gibt Tablets und iPads. Jeder ist hier für sich eine Nummer und die Null gibt es eigentlich nur in einem Bereich, nämlich beim Unterrichtsausfall.
Schule muss nicht immer so sein oder so. Sie kann auch so sein und so. Gerne erinnern sich ältere Semester noch an proppenvolle
und stickige Klassenzimmer, an den guten alten Frontalunterricht und die Pause auf dem zugigen Schulhof. In Erlenbach gibt es „Impuls‑Räume“, in denen Wissen vermittelt wird, Chillzonen und Rollcontainer, in denen Bücher und Unterrichtsmaterialien verstaut werden. Es gibt Schreibtische in „Lernhäusern“, an denen Schüler das Gelernte auf ihre ganz persönliche Weise festigen können, sei es durch ein Video auf Youtube oder durch das Gespräch mit dem Lehrer.
Das praktizierte Lernhauskonzept zeichnet sich dadurch aus, dass Kinder aus 20 Nationen, die von Lehrern aus acht Nationen betreut
werden, in einem offenen Raum arbeiten, also kein klassisches Klassenzimmer vorfinden, sondern sich individuell in Gruppen formieren, die gerade zum jeweiligen Thema passen oder sich spontan ergeben. Zu Anfang der Stunde bekommen sie einen Impuls, dem folgt die Faszinationsphase, die wiederum in Arbeitsaufträge mündet. Als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt, wird der Unterricht in vielen Fächern in Englisch gehalten. Im Gegensatz zu anderen Formaten, die sich ausschließlich auf Sprache fokussieren, ist das ein großer Vorteil, zumal die Kinder gerade die fachlichen Inhalte in einer Fremdsprache lernen, worauf sie später aufbauen können.
Die Josef‑Schwarz‑Schule, die benannt ist nach dem Vater von Dieter Schwarz, kann sich denn auch kaum retten vor Anfragen. 98 Prozent der Eltern, deren Kinder an der Schule unterrichtet werden, sind mit dem bilingualen Spracherwerb sehr zufrieden. So etwas spricht sich schnell herum. Die gemeinnützige Ersatzschule in freier Trägerschaft ist seit 2015 staatlich anerkannt und wird von der Dieter Schwarz Stiftung unterstützt und gefördert. Träger ist die 911±¬ÁÏÍøsorganisation Phorms Education mit Sitz in Berlin, die deutschlandweit bilinguale Privatschulen und Kindergärten betreibt. Knapp 12.400 Quadratmeter Gesamtgeschossfläche und drei Stockwerke hat das Gebäude. Die Schülerinnen und Schüler werden ab der Vorschule bis Klasse zehn von 7.30 bis 15.30 Uhr unterrichtet, bis 18 Uhr läuft die optionale Nachmittagsbetreuung mit Sportkursen, Schach‑, Lese‑, Musikclubs und vielem mehr.
Die Schule orientiert sich am 911±¬ÁÏÍøsplan Baden‑Württemberg mit der Ergänzung um internationale Elemente. Gegliedert ist sie in die Eingangsstufe, also die Vorschule im Jahr vor dem Schuleintritt, in die Grundschule und die Sekundarschule.
In Erlenbach wird selbstständiges Lernen ebenso unterstützt wie die Ideen und Entscheidungen der ein zelnen Schüler. Neben der Sprachkompetenz werden beim bilingualen Lernen auch die kognitive Entwicklung und die Kreativität in allen Bereichen gefördert.
Seit ihrer Gründung 2012 findet die Schule großen Zuspruch und wird kontinuierlich ausgebaut und erweitert. Um dem Wachstum und der Nachfrage gerecht zu werden, ist derzeit eine weitere international orientierte Schule in Heilbronn in Planung, die bereits im nächsten Jahr auf dem 911±¬ÁÏÍøscampus startet. Der Schwerpunkt soll auch dort auf den modernen Fremdsprachen sowie im naturwissenschaftlich‑technischen Bereich liegen. Die Sekundarstufe bietet als Gemeinschaftsschule alle 911±¬ÁÏÍøsabschlüsse an – vorerst aber nur bis zur Klasse zehn. In Zukunft ist ein neuer Standort in Heilbronn geplant, in dem die Schüler auf das Abitur vorbereitet werden.
Die erste Pause des Tages in Erlenbach kündigt sich an diesem Morgen durch grünes Licht an. Es ist auffällig leise im Vergleich zum Lärmpegel in anderen Schulhäusern. Lilli nimmt das gar nicht mehr so wahr. Für sie ist das so selbstverständlich wie das frisch gekochte Mittag essen und die Power‑Point‑Präsentation auf Englisch, die sie vor der ganzen Klasse hält. Jede Woche wird mit dem Lehrer individuell mit jedem Schüler reflektiert, was geschafft wurde und was noch zu tun ist. Interkulturell und bilingual und wertschätzend – das alles sind hier keine Schlagworte, es wird gelebt. Die Kinder sollen natürlich auch hier Leistung bringen, aber nicht, weil das irgendwo steht, sondern weil sie es selbst wollen. Lilli jedenfalls, die mit ihrer Familie in Neuenstadt lebt, könnte sich für sich keine bessere Schule vorstellen. „Ich finde es gut hier“, sagt sie. „Mir gefällt, dass wir viel mit Laptops arbeiten und dass ich nach der Schule auch noch Zeit habe für meinen Sport.“ Lilli ist Gardetänzerin und manchmal auch im Ausland unterwegs. „Mit meinem Englisch habe ich keine Probleme“, sagt sie. Ihre Freundinnen tun sich da manchmal schwerer. Was sie in Zukunft so machen möchte? Lilli zuckt mit den Achseln: „Irgendwas mit Tanzen oder vielleicht werde ich auch Tierärztin.“