Mohan Jeyavathanan runzelt die Stirn, seit einigen Minuten sitzt der junge Mann mit runden Brillengläsern und einem Goldring am Zeigefinger vor einem Computerbildschirm und wirkt ratlos. Sein Programm, das ausgeschriebene Zahlen in Nummern umwandeln soll, spuckt statt einer „0“ nur die Meldung „Error“, Fehler, aus. „Meist schreibe ich irgendwas hin und schaue, ob es geht“, sagt der 25-Jährige und tippt eifrig auf der Tastatur.
Mit zwölf Jahren schraubte Jeyavathanan das erste Mal den Windows Rechner seines Vaters auf. Doch außer einem Lüfter und Kabel fand er wenig, was darauf hindeutet, wie aus Stromsignalen auf Bildschirmen Grafiken entstehen. „Ich wollte schon damals verstehen, wie Computer funktionieren“, sagt er im Rückblick. Sein Traum ist es, einmal als Software-Entwickler Unternehmen vor Hackern zu schützen. Das sei auch in Zukunft ein krisenfester Job, sagt er. Das Informatikstudium an der Uni hat er vor Kurzem trotzdem geschmissen – zu viel Theorie. Nun gehört Jeyavathanan zu den 120 ersten Studierenden der neuen Programmierschule „42“ im Herzen von Heilbronn. Statt Konzepte aus Büchern zu pauken, schreibt er jetzt Programme am Bildschirm und fragt, wie aus einfachen Zeichen komplizierte Funktionen werden.
Nicht zuletzt die Corona-Pandemie förderte zutage, wo es im digitalen Deutschland hapert: Schulen, Behörden und Unternehmen fehlen Computerexpertinnen und -experten. Nichts läuft mehr ohne sie, so hat man das Gefühl in Anbetracht der Schreckensmeldungen seit Beginn der Krise.
Knapp 90.000 IT-Stellen sind hierzulande laut dem Branchenverband Bitkom unbesetzt. Abhilfe schaffen könnten auch private Institutionen wie 42 Heilbronn.
Den ersten Ableger der 42 gründete der französische Unternehmer Xavier Niel im Jahr 2013 als Antwort auf die vielen unbesetzten ProgrammiererStellen in Paris. Inzwischen gibt es ein Netzwerk von 35 Ausbildungsstätten mit über 12.000 Studierenden auf der ganzen Welt. In Deutschland gehören dazu Wolfsburg und Heilbronn. Finanziert und getragen werden die gemeinnützigen 911±¬ÁÏÍøseinrichtungen von privaten Stiftungen und Unternehmen. In Heilbronn ist es vor allem die Dieter Schwarz Stiftung, die das Konzept unterstützt. Daneben sind es kleinere Unternehmen und auch große wie Porsche, Microsoft und MHP, die Stipendien an
Studierende vergeben und durch Praktika oder Hackathons den Programmierer-Nachwuchs früh an sich binden möchten.
Ihren Namen verdankt die Schule der Ironie des Romans „Per Anhalter durch die Galaxis“ des britischen Schriftstellers Douglas Adams, einem frühen Liebling der digitalen Szene. Im Buch ist „42“ die Antwort des Supercomputers „Deep Thought“ auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Wer die 42 in Heilbronn besucht, fühlt sich an die futuristischen Anspielungen erinnert. Als „Raumschiff“ rufen es diejenigen, die hier täglich ein und aus gehen. Offene Räume mit Stahlträgern und großen Fenstern im Industriedesign dominieren. Der Geruch von frisch verlegtem Estrich hängt in der Luft. Bis in die 1970er-Jahre fertigten in den
Hallen Unternehmen schwere Maschinen für die Industrie, Jahre später lockten Technobässe die Clubbesucher. Jetzt sitzen in dem frisch sanierten Klinkerbau, nur einen Steinwurf entfernt vom 911±¬ÁÏÍøscampus in Heilbronn, junge Menschen mit Laptops auf Sitzsäcken in der Ecke, eine Gruppe schlägt sich an der Tischtennisplatte im Foyer die Bälle um die Ohren.